Mainviertel

Wäre es nach den größenwahnsinnigen Plänen der Nationalsozialisten gegangen, hätte ein riesiger Aufmarschplatz mit Parteibauten, Regierungsgebäuden und Glockenturm das alte Mainviertel und damit die Heimat der Fischer und Sandschöpfer vernichtet, die sich nach ihrer Arbeit in den Gaststätten wie der „Schiffbäuerin“ in der Katzengasse, im Wirtshaus „Zum Grünen Baum“, im „Roten Ochsen“ oder im „Wilden Mann“ trafen. Nichts mehr würde an das „Meeviertel” erinnern, dem der aus Würzburg stammende Leonhard Frank 1914 in seinem Erstlingsroman „Die Räuberbande“ ein Denkmal setzte, das in die Weltliteratur eingegangen ist.

 Als überzeugter Sozialist und Pazifist emigrierte Frank 1915, kehrte 1920 nach Deutschland zurück, bis er 1933 erneut emigrieren mußte. 1918 war sein Novellenband „Der Mensch ist gut“ wegen seines pazifistischen Inhalts in Deutschland verboten; 1933 verbrannten Studenten der Würzburger Universität seine Werke auf dem Residenzplatz.

1962 scheiterte der SPD-Antrag, eine Straße nach Leonhard Frank zu benennen, da die Würzburger in seinem Roman „Die Jünger Jesu“ eine Nestbeschmutzung und Verleumdung ihrer Stadt sahen. Lediglich eine Uferpromenade – ohne Wohnhaus und dadurch ohne Funktion als Adressengeber – trägt seit 1965 den Namen des weltberühmten Schriftstellers. Eine 1991 vom Verschönerungsverein anläßlich des 30. Todestages Leonhard Franks angebrachte Gedenktafel an der Mauer zur Deutschhauskirche erinnert im „Meeviertel“ an den großen Schriftsteller und Kriegsgegner aus Würzburg.

Wenige Schritte von dieser Stelle entfernt stand in der Zeller Straße 33 das Gasthaus der „Wilde Mann“ – Treffpunkt für die Gewerkschafter, die fünf Tage nach den Märzwahlen 1933 aus ihrem Haus in der Augustinerstaße vertrieben worden waren. Hier konnten sich die Regimegegner mit Gleichgesinnten unterhalten. Geleitet wurde dieses Gasthaus – von einigen Würzburgern auch „Dreimädleshaus“ genannt – zu dem Zeitpunkt von Babette Kohler, Mutter der am 3. Januar 1910 in Würzburg geborenen und am 24.11.1999 verstorbenen Bildungspolitikerin und langjährigen SPD-Parlamentarierin Gerda Vey (Laufer). Als politisch „Unbelastete“ wurde sie 1946 von der Militärregierung in den ersten Nachkriegs-Stadtbeirat berufen. In ihrem langjährigen Wirken als Mitglied des Stadtrates, des Bezirkstages und des Bayerischen Landtages hat sie sich um Würzburg und um die Region Mainfranken verdient gemacht und sich stets für die „kleinen Leute“ eingesetzt, nicht nur für die aus dem „Meeviertel“.

Quellen: Werner Dettelbacher: Gerda Laufer. Die Wurzeln eines Lebens für die Politik, in: Gerda Laufer – Vorsitzende der Gesellschaft für Politische Bildung. Würzburg 1994